UKRAINISCHE MILITÄRDIENSTPFLICHTIGE UNTER DRUCK

Rudi Friedrich (Connection e.V.) — am 14. August 2024

Lesezeit: 6 Minuten

Vor wenigen Tagen ging durch die Presse, dass ukrainischen Männern im militärdienstpflichtigen Alter keine Reiseausweise für Ausländer ausgestellt werden. Das hatte Connection e.V. gemeinsam mit PRO ASYL im Mai 2024 gefordert. Das hessische Sozialministerium hatte die Ablehnung der Ausstellung von Reiseausweisen mit dem Hinweis verbunden, dass den Betroffenen zumutbar sei, zur Passbeschaffung in die Ukraine zu reisen und der Wehrpflicht nachzukommen. Wie ist das einzuschätzen?

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SCHUTZ FÜR BELARUSSISCHE KRIEGSDIENSTVERWEIGERER WIE VITALI DVARASHYN und MIKITA SVIRYD

Gemeinsame Pressemitteilung — am 31. Juli 2024

Sie sind in Litauen von einer Abschiebung nach Belarus bedroht!

Litauen sollte belarussische Kriegsdienstverweiger*innen und Deserteur*innen schützen, ihnen einen angemessenen Rechtsschutz gewähren und ihre Abschiebung nach Belarus dringend verhindern!

Die unterzeichnenden Organisationen sind zutiefst besorgt über die Drohung der litauischen Behörden, den belarussischen Kriegsdienstverweigerer Vitali Dvarashyn und den belarussischen Deserteur Mikita Sviryd nach Belarus abzuschieben. Dort droht ihnen Verfolgung, Inhaftierung — und im Falle von Desertion — die Todesstrafe. Wir fordern die litauischen Behörden zum sofortigen Handeln auf, um die Abschiebung betroffener Personen nach Belarus zu verhindern und ihnen Asyl in Litauen zu gewähren, wo sie seit Jahren Schutz suchen.

Der belarussische Kriegsdienstverweigerer Vitali Dvarashyn wurde, wie andere belarussische Asylsuchende in Litauen, im Jahr 2023 nach sieben Jahren Aufenthaltsgenehmigung in Litauen zu einer „Bedrohung der nationalen Sicherheit“ erklärt. In der Folge wurde er in einem Flüchtlingslager in Einzelhaft gehalten. Am 29. Mai 2024 wurde ihm Asyl mit der Begründung verweigert, dass er in Belarus nicht in Gefahr sei. Am 13. Juni 2024 entkam er seiner Verhaftung und der Gefahr einer sofortigen Abschiebung und tauchte aus Angst unter.

Dem belarussischen Deserteur Mikita Sviryd wurde am 20. November 2023 Asyl verweigert. Obwohl er wie Vitali Berufung eingelegt hat, wurde ihm nicht gestattet, seinen Fall in einer Anhörung vorzutragen. Das ist jedoch insbesondere wegen der Wiedereinführung der Todesstrafe in Belarus von großer Bedeutung. Er sucht daher verzweifelt nach Möglichkeiten, sein Leben zu schützen.

Wir fordern die litauischen Behörden auf, die Abschiebung von Vitali Davarshyn und Mikita Svyrid sowie aller anderer Deserteur*innen und Kriegsdienstverweiger*innen nach Belarus dringend zu verhindern und ihnen einen angemessenen Schutz in Litauen zu gewähren.

Wie die UN-Sonderberichterstatterin zur Lage der Menschenrechte in Belarus, Anaïs Marin, während der letzten Sitzung des UN-Menschenrechtsrates berichtet hat, ist die Menschenrechtslage in Belarus alarmierend. Belarus ist kein sicheres Land für Kriegsdienstverweiger*innen und Deserteur*innen. Die UN-Sonderberichterstatterin hat zudem hervorgehoben, dass „die Regierung [von Belarus] weiterhin aktiv die militärische Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine unterstützt“.

Wir sind beunruhigt, dass solche Informationen von den litauischen Behörden nicht berücksichtigt werden. Stattdessen halten sie an der Überzeugung fest, dass eine Rückkehr nach Belarus für abgelehnte Deserteur*innen und Kriegsdienstverweiger*innen sicher ist.

Olga Karatch, Наш дом (Deutsch: Unser Haus)
Das ist nicht wahr. Vitali Dvarashyn und Mikita Svyrid drohen Verfolgung und Gefängnis, wenn sie gewaltsam nach Belarus zurückkehren müssen. Für Deserteur*innen wie Mikita ist sogar die Todesstrafe möglich. Das muss mit allen Mitteln verhindert werden

Auch sind wir zutiefst besorgt darüber, dass die litauische Migrationsbehörde die Berichte des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte über die Menschenrechtslage in Belarus nicht für relevant hält*.

* Verwaltungssache Nr. eA-2053-789/2024 der Litauischen Migrationsbehörde vom 23. Juli 2024

Die strafrechtliche Verfolgung bei Kriegsdienstverweigerung*, die ständigen Verletzungen des Menschenrechts auf Kriegsdienstverweigerung und die Wiedereinführung der Todesstrafe für Deserteur*innen sind deutliche Beweise dafür, dass Belarus kein sicheres Land für Kriegsdienstverweiger*innen darstellt.

* „Umgehung der Einberufung zum Militärdienst bei der Mobilmachung (Art. 434), Umgehung der regelmäßigen Einberufung zum aktiven Militärdienst (Art. 435), Nichterscheinen von Reservist*innen oder Militärdienstpflichtigen zur militärischen Ausbildung oder zum Sonderunterricht (Art. 436), Umgehung der militärischen Registrierung durch Militärdienstpflichtige (Art. 437)“ — Europäisches Büro für Kriegsdienstverweigerung, Jahresbericht, S. 46-47

Die unterzeichnenden Organisationen fordern Litauen auf, die Abschiebung von belarussischen Deserteur*innen und Kriegsdienstverweiger*innen unverzüglich zu verhindern und ihnen angemessenen Schutz zu gewähren.

Wie in den UNHCR-Richtlinien zum internationalen Schutz hervorgehoben wird, haben Kriegsdienstverweiger*innen einen Anspruch auf den Flüchtlingsstatus, wenn sie in ihrem eigenen Land von Verfolgung bedroht sind*. Dies gilt in vollem Umfang für belarussische Kriegsdienstverweiger*innen.

* UNHCR, Richtlinien zum internationalen Schutz Nr. 10: Ansprüche auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Zusammenhang mit dem Militärdienst im Rahmen von Artikel 1A (2) des Abkommens von 1951 und/oder des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge

Artikel 10 „Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit“ (1) der Charta der Grundrechte der Europäischen Union
Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. […]

Artikel 10 „Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit“ (2) der Charta der Grundrechte der Europäischen Union
Das Recht auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen wird nach den nationalen Rechtsvorschriften anerkannt, die die Ausübung dieses Rechts regeln.

Artikel 57 der Verfassung der Republik Belarus
Der Schutz der Republik Belarus ist die heilige Pflicht und Verantwortung eines Bürgers der Republik Belarus. Das Verfahren für den Militärdienst, die Gründe und Bedingungen für die Befreiung vom Militärdienst oder dessen Ersatz durch einen Zivildienst werden gesetzlich festgelegt.

Artikel 1 des Gesetzes der Republik Belarus „Über den alternativen Dienst“
Dieses Gesetz bestimmt das Verfahren und die Bedingungen für die Ableistung des alternativen Dienstes durch die Bürger der Republik Belarus anstelle der Wehrpflicht, wenn die Erfüllung der Wehrpflicht ihren Überzeugungen oder ihrem Glauben widerspricht.

Artikel 4 des Gesetzes der Republik Belarus „Über den alternativen Dienst“
Die Bürger der Republik Belarus haben das Recht, den Wehrdienst durch einen alternativen Dienst zu ersetzen, wenn die Erfüllung der Wehrpflicht ihren Überzeugungen oder ihrem Glauben widerspricht.

Es sollte daran erinnert werden, dass in Belarus ein hohes Risiko der Rekrutierung und Mobilisierung zur Unterstützung des Angriffskrieges der Russischen Föderation in der Ukraine besteht, was zusätzlich eine Verletzung des internationalen Rechts darstellt.

Die unterzeichnenden Organisationen fordern Litauen und die anderen Mitglieder der Europäischen Union dringend auf, Kriegsdienstverweiger*innen und Deserteur*innen uneingeschränkt zu schützen, die aus Belarus fliehen, wo sie verfolgt werden und ihr Recht auf Kriegsdienstverweigerung nicht anerkannt wird. Die europäischen Institutionen werden dazu aufgefordert, die vollständige Umsetzung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung in allen Mitgliedsstaaten sicherzustellen.

UNTERZEICHNET VON:

Connection e.V.

Unser Haus (Belarus)

Internationale der Kriegsdienstgegner*innen

Europäusche Büro für Kriegsdienstverweigerung

Internationale Versöhnungsbund

Pressenza International

Internationales Ständiges Friedensbüro

Peace Tax International (Großbritannien)

Internationale der Kriegsdienstgegner*innen (Deutschland)

Internationale Versöhnungsbund — italienischer Zweig (Italien)

Zentrum für Gewissen und Krieg (USA)

BOCS Stiftung für Zivilisationsplanung (Ungarn)

Frieden (Non-Profit-Organisation; Belgien)

Zentrum für Gewaltfreie Aktion (Schweiz)

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit (Österreich)

Kirche und Frieden (Niederlande)

Sudanesische Organisation für Gewaltlosigkeit und Entwicklung (Sudan)

Vereinigung griechischer Kriegsdienstverweigerer (Griechenland)

Arbeitsstelle Frieden und Umwelt der Evangelischen Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche; Deutschland)

Internationaler Versöhnungsbund — österreichischer Zweig (Österreich)

Pax Christi Flanders (Belgien)

Verband der Kriegsdienstverweiger*innen (Finnland)

Demokratische Juristen (Italien)

Leuvener Friedensbewegung (Belgien)

Belgische Koalition gegen abgereicherte Uranwaffen (Belgien)

Zentrum für globale Gewaltlosigkeit (Schweiz)

Un Ponte Per (Italien)

Beobachtungsstelle für Kriegsdienstverweigerung (Türkei)

Friedensaktion (Belgien)

Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. (Deutschland)

Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. (Deutschland)

Deutsche Friedensgesellschaft — Vereinigte Kriegsdienstgegner*innen (Deutschland)

Bund für Soziale Verteidigung (Deutschland)

• Günter Knebel, Vorstand Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz e.V. (Deutschland)

• Horst-Peter Rauguth, Vorstand pax christi (Deutschland)

Forum gewerkschaftliche Linke Berlin (Deutschland)

Centro Studi Sereno Regis (Italien)

Pax Christi (Italia)

Arbeitskreis Internationalismus der IG Metall Berlin (Deutschland)

• Lebenshaus Schwäbische Alb – Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V. (Deutschland)

Aktion der Christen für die Abschaffung der Folter (Deutschland)

Initiative Solidarität für Pazifist:innen aus Osteuropa (Deutschland)

Aktion der Christen für die Abschaffung der Folter (Schweiz)

Hessischer Flüchtlingsrat (Deutschland)

Internationaler Versöhnungsbund — deutscher Zweig (Deutschland)

Frauennetzwerk für Frieden e.V. (Deutschland)

Bundesverband der Vietnamesischen Flüchtlinge in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland)

• Forum Friedensethik in der Evangelischen Landeskirche in Baden (Deutschland)

• Grazer Initiative für Frieden und Neutralität (Österreich)

• pax christi Rottenburg-Stuttgart (Deutschland)

• graswurzelrevolution (Deutschland)

• Netzwerk Friedenskooperative (Deutschland)

• Internationale Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges – Ärzt*innen in sozialer Verantwortung e.V. (Deutschland)

NaturFreunde Deutschlands (Deutschland)

SOS Balkanroute (Österreich)

Vienna Voice (Österreich)

LINKS-Wien (Österreich)

Grüne Alternative e.V. (Deutschland)

Bewegung der Kriegsdienstverweiger*innen (Russland)

Quakers Gent (Belgien)

Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF – Deutschland)

Ukrainian Pacifist Movement (Ukraine)

Center for Nonviolent Action (Schweiz)

Quelle Connection e.V.

Gefangen zwischen zwei Systemen: Die Geschichte von Vitali Dvarashyn, einem belarussischen Kriegsdienstverweigerer Unser Haus

Mikita Sviryd: Die Geschichte eines belarussischen Deserteurs in Litauen, der zwischen der drohenden Todesstrafe in Belarus und dem illegalen Flüchtlingsstatus in Litauen gefangen ist Unser Haus

A/HRC/56/65 United Nations

Offizieller Standpunkt des litauischen Migrationsamtes Unser Haus

Kriegsdienstverweigerung in Europa 2023/24 — European Bureau for Conscientious Objection

Richtlinien zum internationalen Schutz NO. 10 — United Nations High Comissioner for Refugees

Collage: Zani Arkadina