Emanuel Matondo
Heute versammeln wir uns hier am Brandenburger Tor aus Anlass des diesjährigen Internationalen Tages der Kriegsdienstverweigerung, den wir jeden 15. Mai feiern. Denn von diesem historischen Ort Deutschlands, also Berlin, ging nach der Katastrophe von 1933—1945 der Spruch aus: Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! Also: Nie wieder rassistische Herrschaft!
Heute, 80 Jahre später, stehen wir hier, als Bürger und Bürgerinnen aus Deutschland sowie aus fast allen Nationen der Welt, die ihre Stimmen in verschiedenster Weise gegen den Krieg erheben, und den Dienst an den Waffen konsequent verweigern. Damit leisten wir Widerstand gegen all jene, die unseren Gesellschaften wieder vorgaukeln, dass Krieg ein normaler Zustand sei oder Krieg nur durch Krieg beendet werden könnte. Nein, Krieg ist der anormalste Zustand, den es gibt auf dieser Erde, nach den Naturkatastrophen.
Ich komme aus einem Land, das unter einem jahrzehntelangen Krieg sehr gelitten hat, ausgeblutet und zerstört zurückgelassen wurde. Deshalb weiß ich wovon ich rede. Und ich verstehe die eigentliche Botschaft, wenn einer mit der Waffe in der Hand vor mir steht und trotzdem vom Frieden redet. Ich zog eine Lektion aus der Geschichte meiner Ursprungsheimat und verweigerte: Bitte vertrauen sie niemandem, der/die vom Frieden spricht mit einer Waffe in der Hand!
Und welche Lektion hast Du, Europa, aus deiner tragischen Geschichte von 1940—1945 gezogen? Anscheinend keine! Welche Lehre hat die Wlet aus dem 2. Weltkrieg gezogen? Fast gar keine!
Wer redet schon laut über Frieden? Wer redet schon ernsthaft über Sprüche wie: »Aus Schwertern Pflugscharen machen«? Krieg ist wieder attraktiv geworden, nicht nur im Westen. Ich höre derzeit nur die Marschmusik des Krieges, auf allen Kanälen. Überall auf der Welt blüht wieder der Militarismus, der die Rüstungswirtschaft zu einem nie dagewesenen Boom verhilft. Die größten Produzenten von Kriegs- und Tötungsgütern »Made in Germany« brachten in den letzten Tagen einen Rekordanstieg von Aktien auf der Börse von bis zu 1600%. So eilen plötzlich viele Menschen, aus fast allen Gesellschaftsschichten, erwerben in Massen die Aktien dieses Rüstungsherstellers und wollen von steigenden blutigen Aktien mitverdienen. Was noch vor wenigen Jahren moralisch wie ethisch verwerflich in Deutschland war, oder umstritten, ist plötzlich Normalität. Der Militarismus lebt in Deutschland im Jahr 2025 auf!
Weil wir gegen alle Kriege Widerstand leisten, überall wo wir als Kriegsdienstverweigerer leben und sind, fordern wir alle fortschrittlichen Kräfte auf: Stehen Sie auf, gegen den Krieg, seine Treiber und seine Profiteure! Denn Krieg frisst die Ressourcen von Nationen, und verdammt die Bevölkerung zur extremen Armut.
Krieg und Militarismus sind zwei Geschwister, die einerseits oft nationalisch-rassistische Gesinnung wie Hass bzw. Ausgrenzung in Gesellschaften zementieren und andererseits von Regierungen als Argument benutzt werden, um z.B. Sozialausgaben zu kürzen. Auch werden Krieg und Kosten des geförderten Militarismus für notwendig erklärt, und zugleich entziehen sich die Regierungen ihrer Verantwortung bei der Bekämpfung von Massenverelendung oder dem Bau von bezahlbaren Wohnungen. Flüchtlinge wie MigrantInnen werden zu Sündenböcken gemacht, und die Regierungen führen auch Krieg gegen diese Gruppen. Sagen Sie gegen alle diese Kriege: »Sir! No Sir!«
Im Jahr 1967 verweigerten sich über 503.000 Soldaten und Soldatinnen dem Vietnam-Krieg und ebneten somit den Weg, diesen menschlichen Schlachthof ihrer wahnsinnigen Regierung zu stoppen. Wir stehen wieder am Scheideweg der Geschichte unserer Menschheit. Leistet Widerstand, gegen den Krieg, gegen Rassismus und gegen Armut!
Inmitten der Tragödie vom Vietnam-Krieg rief damals Dr. Martin Luther King Jr. auf: »Die Nationen müssen drei Dämonen der Gesellschaften, nämlich Krieg, Rassismus und Armut überwinden, um Gerechtigkeit herbeizuführen«. Das gilt heute auch für Deutschland, denn viele Parteien sowie der Kern seiner Lenker haben den Fokus auf friedensstiftende Ansätze wie soziale Themen längst verloren. Sie dienen vielmehr dem Kapital, das die Kriegswirtschaft befördert. Weigere Dich jetzt! Stehe auf für Deine Bürgerrechte!
Ich bedanke mich!
Emanuel Matondo: »Sagen Sie gegen alle diese Kriege: Sir! No Sir!« Redebeitrag am 17. Mai 2025 in Berlin aus Anlass des Internationalen Tages der Kriegsdienstverweigerung. Emanuel Matondo, angolanischer Kriegsdienstverweigerer.