»Kriegsdienstverweigerung ist eine mutige Handlung«

Artem Klyga von Connection e.V.

Hallo, ich bin Artem Klyga und ich spreche heute für Connection e.V.

Zunächst möchte ich allen zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung gratulieren, den wir diese Woche begehen. Dieser Tag ist mehr als nur ein Datum im Kalender. Er ist eine Erinnerung an das Recht eines jeden Menschen, den Dienst an der Waffe zu verweigern, sich der Gewalt zu enthalten und nicht zum Werkzeug des Krieges zu werden.

Bereits 1993 betonte der UN-Menschenrechtsausschuss, dass die Pflicht, Waffen zu tragen, in ernsthaftem Konflikt mit dem Recht auf Gewissens- und Glaubensfreiheit stehen kann. Doch wie die Praxis zeigt, garantiert die Existenz dieses Rechts selbst in einer Verfassung nicht seinen Schutz.

Wir erleben, wie in Russland, der Ukraine, Belarus — und sogar in europäischen Ländern — Staaten bereit sind, von ihren eigenen Verfassungsgrundsätzen abzurücken. In Zeiten des Krieges, der Angst oder der sogenannten Bedrohung der »nationalen Sicherheit« sind es die Menschenrechte, die als erstes geopfert werden — insbesondere das Recht, »Nein« zum Krieg zu sagen.

In Russland und der Ukraine ignorieren die Behörden das Recht auf Kriegsdienstverweigerung praktisch völlig. Und in Europa sehen wir beunruhigende Tendenzen: Debatten über die Wehrpflicht, die Rückkehr der Wehrpflicht — auch für Frauen. All dies natürlich im Namen der »Sicherheit«.

Währenddessen werden diejenigen, die sich bereits geweigert haben, am Krieg teilzunehmen — diejenigen, die desertiert sind oder sich aus Gewissensgründen geweigert haben — zum Schweigen gebracht. Ihre Fälle werden nicht als dringend angesehen. Ihr Schutz ist unangenehm.

Dennoch gibt es Momente, auf die wir stolz sein können.

Ja, im Jahr 2024 gelang es uns, die ersten russischen Deserteure aus Kasachstan nach Frankreich zu evakuieren. In Kasachstan waren sie akut von Abschiebung bedroht.

Ja, in Berlin hat das Verwaltungsgericht endlich das Recht auf Schutz für zwei russische Militärdienstpflichtige anerkannt.

Aber seien wir ehrlich zu uns selbst: Reicht das aus?

Können wir das wirklich als Erfolg bezeichnen, wenn drei Jahre nach dem größten Krieg in Europa noch kein einziges systematisches Programm zur Unterstützung von Kriegsdienstverweiger*innen geschaffen wurde?

Heute sitzen Hunderte von Menschen aus Russland, Belarus und der Ukraine in Transitzonen fest oder sind in so genannten »neutralen« Staaten gestrandet, ohne einen klaren Status zu haben.

Viele von ihnen befinden sich bereits in der Europäischen Union — und ihnen wird immer noch Asyl verweigert.

Statt Schutz und Zuflucht zu bieten, erleben wir eine zunehmende Militarisierung und einen schrumpfenden Raum für engagierte Pazifist*innen.

Deshalb will ich heute klar sagen:

Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ist kein abstrakter moralischer Grundsatz oder ein Thema für theoretische Debatten. Es ist eine Frage von Leben und Tod für Tausende von Menschen. Es ist eine Frage der Freiheit für diejenigen, die sich bereits geweigert haben, sich an Gewalt zu beteiligen — und die nun im Verborgenen, in Angst oder in Abschiebehaftanstalten leben.

Wir sind keine Randgruppe von Pazifist*innen. Wir sind Menschen, die die Menschenwürde in einer Welt verteidigen, die verlangt, dass wir sie vergessen. Und wir fordern die europäischen Regierungen auf, endlich einzusehen: Kriegsdienstverweigerung ist kein Verbrechen. Es ist eine mutige Handlung.

Es ist nicht nötig, neue Systeme zu erfinden. Wir müssen einfach die Systeme anwenden, die wir bereits haben: die Genfer Konvention, die Europäische Menschenrechtskonvention, die Urteile des Europäischen Gerichtshofs. Und wir müssen aufhören, so zu tun, als ob engagierte Verweiger*innen »kein Asyl verdienen«, weil sie »nichts Heldenhaftes getan haben«.

Ihr Heldentum liegt in der Weigerung zu töten.

Wir werden weiterhin Deserteur*innen, Verweiger*innen und Geflüchtete unterstützen — und wir werden weiterhin fordern, dass Europa den eigenen Anspruch einhält: für Rechte und Freiheiten zu stehen.

Danke.

Artem Klyga, Connection e.V.: »Kriegsdienstverweigerung ist eine mutige Handlung« Redebeitrag am 17. Mai 2025 in Berlin aus Anlass des Internationalen Tages der Kriegsdienstverweigerung. Artem Klyga ist Jurist und Fachberater bei Connection e.V.