Connection e.V. — am 20. September 2024
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Auch zwei Jahre nach der am 21. September 2022 von Präsident Putin erklärten Teilmobilmachung wird russischen Verweiger*innen des Ukrainekrieges in Deutschland in aller Regel kein Asyl gewährt. Connection e.V. liegen inzwischen mehr als ein Dutzend ablehnende Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vor. Wesentliches Argument ist, dass keine „beachtliche Wahrscheinlichkeit“ für eine Einberufung in den Krieg bestehe. „Es sind Menschen, die sich gegen eine Teilnahme an dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg entschieden haben“, so heute Rudi Friedrich von Connection e.V. „Statt ihre Entscheidung zu unterstützen, werden sie mit den Bescheiden aufgefordert, nach Russland zurückzukehren. So wird dem russischen Militär das menschliche Kriegsmaterial zur Verfügung gestellt„.
In den letzten Monaten wurden in Russland die Rekrutierungsbemühungen verschärft:
- Im April 2023 verabschiedete das russische Parlament ein Gesetz, womit die von der russischen Regierung für staatliche und kommunale Dienste eingerichtete online-Plattform „Госуслуги“ (Transliteration vom Russisch: „Gosuslugi“; wörtlich „staatliche Dienste“) auch für die Zustellung von Vorladungen zum Militärkommissariat benutzt werden kann. Schriftstücke gelten als zugestellt, wenn sie auf dem Account einer Person eingegangen sind. Mit der Zustellung verbunden ist das Verbot, Russland zu verlassen.
Artyom Klyga, Bewegung der Kriegsdienstverweiger*innen (Russland)
Das bedeutet in der Tat, dass bei einer Rückkehr dieser Personen Strafverfolgungsmaßnahmen greifen und die bereits bestehende Vorladung umgesetzt wird. Außerdem werden sie nicht mehr das Land verlassen können. Damit sind sie einem erheblich größerem Risiko ausgesetzt, für den Krieg eingezogen zu werden.
- Wiederholt kommt es in verschiedenen Städten zu Razzien und Inhaftierungen von Militärdienstpflichtigen. So z.B. im Mai 2024, als Polizeibeamt*innen in Moskau unter Beteiligung der Moskauer Einberufungsbehörde und des „Unified Draft Office“ Razzien durchführten und schätzungsweise 40 bis 60 Personen im Einberufungsalter festnahmen. Nach ihrer Festnahme wurden die Betroffenen im Alter zwischen 18 und 30 Jahren zur Sammelstelle in der Ugreshskaya Straße 3, Gebäude 6, gebracht, von wo aus die Rekruten direkt in die Kasernen gebracht werden.
- Seit dem Einmarsch der Ukraine in das Gebiet um Kursk Mitte August 2024 werden erneut Militärdienstpflichtige im Kriegsgebiet eingesetzt.
Sofia Zelenkovich, Geht durch Wälder (Russland)
Wir haben Dutzende von Anfragen von besorgten Eltern, Verwandten und Freund*innen bekommen. Sie schildern uns, wie Wehrpflichtige kurz nach ihrer Einberufung in das Kriegsgebiet nach Kursk geschickt werden, in das vor wenigen Wochen die ukrainische Armee einmarschierte. Sie haben keine militärische Ausbildung erhlten und sind so nichts anderes als Kanonenfutter.
- Insbesondere gegenüber Migrant*innen wird Druck ausgeübt, sich „freiwillig“ zur Armee zu melden.
Artyom Klyga
Das Gesetz wurde dahingehend geändert, dass russischen Staatsbürgern, die nicht von Geburt an Staatsbürger Russlands sind, der Pass entzogen werden kann, wenn sie sich nicht militärisch registrieren lassen.
Sofia Zelenkovich
Jeden Tag finden in den Gebieten, wo Migrant*innen leben, Razzien statt. Sie werden unter Druck gesetzt oder mit falschen Behauptungen dazu gebracht, Verträge beim Militär zu unterschreiben. Damit können sie in das Kriegsgebiet in die Ukraine geschickt werden.
Rudi Friedrich, Connection e.V.
Es ist davon auszugehen, dass der Druck auf die Militärdienstpflichtigen noch steigen wird. Vor wenigen Tagen hat Präsident Putin angekündigt, die Armee um weitere 180.000 Soldaten aufzustocken.
Wie die unabhängige russische Nachrichtenplattform Mediazona berichtete, sollen ab Dezember 2024 weitere 180.000 Soldat*innen die Armee auf fast 1,5 Millionen bringen. Das ist bereits die dritte Erhöhung der Truppenstärke seit Beginn des Ukrainekrieges im Februar 2022.
Erneut fordert Connection e.V. die deutsche Bundesregierung auf, Schutz und Asyl für Kriegsdienstverweiger*innen, Militärdienstentzieher*innen und Deserteur*innen zu garantieren. „Es gab einen positiven Schritt mit einer Stellungnahme des Innenministeriums im Mai 2022, dass russische Deserteure Flüchtlingsschutz erhalten sollen. Aber es zeigt sich, dass fast alle, die sich rechtzeitig vor einer Rekrutierung entzogen haben und Schutz suchen, in den Asylverfahren abgelehnt werden. Das ist ein unhaltbarer Zustand.“
Abschließend weist Connection e.V. darauf hin, dass das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ein Menschenrecht ist, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einer Grundsatzentscheidung festgestellt hat. Das Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte stellt in seinem jüngsten thematischen Bericht (A/HRC/56/30) fest, „sollten Einzelpersonen in der Lage sein, vor dem Beginn des Militärdienstes oder in jeder Phase während oder nach dem Militärdienst zu verweigern“. Gegenwärtig ist dieses Recht in Russland nicht im Einklang mit internationalen Standards geschützt. Diejenigen, die den Dienst verweigern wollen, werden de facto daran gehindert oder verfolgt. Sie sollten geschützt werden, wie der UNHCR in seinen Richtlinien zum internationalen Schutz Nr. 10 feststellt.
Bewegung der Kriegsdienstverweiger*innen
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Russland verschärft das Rekrutierungsgesetz und drängt mehr Männer zum Kämpfen — The Washington Post
Russland: Einsatz von Militärdienstpflichtigen in der Region Kursk — Geht durch Wälder
Putin erhöhte die Anzahl der regulären Soldaten auf 1,5 Millionen — Медиазона
A/HRC/56/30 — PDF-Datei, Hochkommissars für Menschenrechte der Vereinten Nationen