Bewegung für Kriegsdienstverweigerung Russland, Juli/August 2023
Das russische Verteidigungsministerium meldete, dass 147.000 Menschen im Rahmen der Frühjahr-Sommer-Einberufung mobilisiert wurden. Dabei wurden die Rechte von Militärdienstpflichtigen grob verletzt. Militärkommissariate führten Zwangsrekrutierungen und Razzien in Studierendenwohnheimen durch und beschlagnahmten Mobiltelefone. Auch Razzien gegen Migrant*innen werden fortgesetzt, um sie für den Krieg zu rekrutieren.
Neue Gesetze zu Einschränkung der Rechte von Kriegsdienstverweiger*innen
Das russische Parlament, die Duma, hat weitere Änderungen an der Militärgesetzgebung vorgenommen, welche die Situation von Kriegsdienstverweiger*innen verschlechtern: So wurden die Geldstrafen für Verstöße gegen das Militärgesetz erhöht und gelten nun für Militärdienstentziehung, für das Versäumnis, dem Militärbüro aktuelle Informationen über die eigene Person mitzuteilen und für Arbeitgeber, die Militärdienstpflichtige nicht melden. Zudem wurde die Altersspanne für den Militärdienst von bisher 18-27 Jahren auf 18-30 Jahre erhöht, um mehr Personen zum Militärdienst verpflichten zu können.1 Drittens wurde die Altersgrenze für die Zugehörigkeit zur Reserve der russischen Streitkräfte von bisher 50 Jahre ab 2024 auf 55 Jahre angehoben. Viertens wird es möglich sein, Reisebeschränkungen und Fahrverbote für Militärdienstentziehende auf schriftlichen Antrag des Militärkommissariats zu erlassen. Das russische Parlament hat im Juli Änderungen verabschiedet, die es den Militärbehörden auch ohne ein funktionierendes elektronisches Register ermöglichen, Militärdienstpflichtige mit Einschränkungen der Bewegungsfreiheit zu belegen. Die Zustellung einer Vorladung zum Militärkommissariat benötigt keine Bestätigung mehr.
Unterstützung für den zivilen Ersatzdienst
Die Bewegung für Kriegsdienstverweigerung Russland (MCO) konnte Kirill dabei unterstützen, sein Recht auf einen zivilen Ersatzdienst durchzusetzen. Er verklagte erfolgreich das Militärkommissariat, weil es verhinderte, dass er einen Antrag stellen konnte. Zunächst versuchte man, Kirill wegen Verletzung der Antragsfristen abzulehnen: In Russland muss der Antrag mindestens sechs Monate vor Beginn des Militärdienstes eingereicht werden. Kirill reichte Klage ein, doch die Justizbehörden gaben dem Militärkommissariat Recht. Während der nächsten Einberufungskampagne reichte Kirill seinen Antrag rechtzeitig ein und legte weitere Dokumente vor, aber das Militärbüro versuchte, ihn mit der Begründung abzulehnen, dass bereits in der vorangegangenen Periode eine negative Entscheidung über ihn getroffen worden war. Kirill legte gegen diese Ablehnung Berufung bei der Staatsanwaltschaft ein, die seiner Antrag stattgab. Am 5. Juli beschloss die Militärkommission schließlich, den Militärdienst durch einen zivilen Ersatzdienst zu ersetzen. Dank seines Selbstbewusstseins und seines konsequenten Eintretens für seine Position als Kriegsdienstverweigerer konnte Kirill die Einberufung in die Armee vermeiden.
MCO unterzeichnet Petition und fordert die Abschaffung der Militärdienstpflicht in Russland
Die Petition zur Unterstützung russischer Verweiger*innen, welche an die Europäische Kommission, an das Europäische Parlament und an den Rat der Europäischen Union gerichtet ist, fordert die Klärung des humanitären Status von Kriegsdienstverweiger*innen, die Unterstützung von Organisationen, die mit Kriegsdienstverweiger*innen aus Russland zusammenarbeiten, die Unterstützung für außereuropäische Länder, welche die Mehrheit russischer Verweiger*innen aufnehmen sowie eine Vereinfachung des Verfahrens zur Erlangung von Visa und Reisedokumenten für Kriegsdienstverweiger*innen. Die Bewegung für Kriegsdienstverweigerung (MCO) appelliert außerdem an die russischen Behörden, den Militärdienst in der russischen Armee abzuschaffen. Seit August gibt es dafür eine Petition auf change.org, die bereits 30.000 Mal unterzeichnet wurde.
Razzien gegen Migrant*innen nehmen zu
Durch eine Gesetzesänderung haben Ausländer*innen, die sich für ein Jahr zum Militärdienst verpflichten, nun das Recht auf die russische Staatsbürgerschaft. Gleiches gilt für Familienangehörige. Gleichzeitig rekrutieren die Militärbüros mit Hilfe von Polizeibeamt*innen Ausländer*innen für den Militärdienst, oft unter Gewaltanwendung. Es wurde mitgeteilt, dass Institutionen des russischen Staates Dokumente zur Erlangung der russischen Staatsbürgerschaft nur akzeptieren, wenn eine Bescheinigung des Militärbüros vorliegt, aus der hervorgeht, dass die Person bereits einen Vertrag des Verteidigungsministeriums unterzeichnet hat. Betroffene werden häufig hinsichtlich der Konsequenzen der Unterzeichnung eines solches Vertrags getäuscht.